Depressionen bei Diabetes: Biomarker könnten Therapieerfolg bestimmen

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Menschen mit Diabetes leiden überdurchschnittlich häufig an Depressionen – mit teils erheblichen Folgen für die Lebensqualität und für Krankheitsverläufe. Forschende des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ), des Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Mergentheim (FIDAM) und des Deutschen Zentrums für Diabetes Forschung (DZD) konnten in einer groß angelegten Analyse zeigen, dass Biomarker für chronische Entzündungswerte den Therapieerfolg von depressiven Symptomen beeinflussen – jedoch bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes auf sehr unterschiedliche Weise. Die Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Therapie von Depressionen bei Menschen mit Diabetes zukünftig individuell anzupassen. Die Ergebnisse sind kürzlich in der Fachzeitschrift Diabetologia erschienen.

Menschen mit Diabetes haben ein etwa doppelt so hohes Risiko für Depressionen wie die Allgemeinbevölkerung. Die chronische Stoffwechselerkrankung ist belastend und häufig mit Ängsten, Überforderung oder negativen Krankheitsgefühlen verbunden. Eine Depression kann die eigenverantwortliche Behandlung von Diabetes beeinträchtigen, das Risiko für Folgeerkrankungen erhöhen und sich negativ auf die Lebenserwartung auswirken. Umso wichtiger sind eine frühzeitige Diagnose und wirksame Therapie depressiver Symptome – sei es medikamentös oder durch Verhaltenstherapie. Doch nicht alle Menschen mit Diabetes sprechen gleich gut auf Behandlungen an.

Entzündungsmarker und Depressionsverlauf über ein Jahr untersucht

Entzündliche Prozesse könnten hierbei eine Schlüsselrolle spielen, denn chronische Entzündungsreaktionen im Körper gelten heute als gemeinsamer biologischer Hintergrundmechanismus sowohl für Diabetes als auch für Depressionen. Bisherige Studien zeigten: Wenn sich Entzündungsmarker im Blut verändern, kann dies mit einer Besserung oder Verschlechterung unterschiedlichster depressiver Symptome einhergehen. „Faktoren zu identifizieren, die mit dem Therapieerfolg bei Depressionen zusammenhängen, ist wichtig, um die richtigen Therapien für Menschen mit Diabetes auszuwählen“, erklärt Prof. Christian Herder, Erstautor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Inflammation am DDZ.

Während frühere Studien oft den Fokus auf einzelne Entzündungsmarker legten, nutzte diese, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Analyse, ein breites Panel an Markern im Blut und differenzierte zwischen verschiedenen Depressionssymptomen. Die Analyse basiert auf Daten von 521 Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes aus drei verschiedenen Interventionsstudien am FIDAM, welche die Wirkung einer Verhaltenstherapie auf Menschen mit Typ-1- und Typ-2- Diabetes und Depressionssymptomen untersuchten. Mithilfe eines Fragebogens zur Erfassung depressiver Symptome (Center for Epidemiologic Studies Depression Scale/CES-D) und der Messung von 76 Entzündungsmarkern im Blut untersuchte das Forschungsteam, ob es Zusammenhänge zwischen Entzündungsniveau und Veränderung der Depressionsschwere innerhalb eines Jahres gab.

Gegensätzliche Effekte je nach Diabetes-Typ

Die Ergebnisse zeigen ein überraschendes Muster: Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und höheren Entzündungsmarkern verbesserten sich die depressiven Symptome durch die Verhaltenstherapie signifikant – insbesondere bei kognitiv-affektiven Beschwerden und Anhedonie (Freudlosigkeit). Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und höheren Entzündungswerten erzielte die Verhaltenstherapie nur eine geringere Verbesserung – vor allem bei somatischen Symptomen wie Erschöpfung, Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit.

Warum sich die Zusammenhänge zwischen Entzündungsmarkern und depressiven Symptomen bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes so deutlich unterscheiden, ist noch nicht abschließend geklärt. Möglicherweise spielen die jeweils unterschiedlichen Formen der Immunaktivierung eine Rolle – also Autoimmunprozesse bei Typ-1-Diabetes und metabolisch bedingte Entzündungen bei Typ-2-Diabetes. „Um die zugrundeliegenden Mechanismen und die Rolle psychotherapeutischer und entzündungshemmender Behandlungsansätze besser zu verstehen, sind weitere Studien notwendig“, betont Prof. Michael Roden, wissenschaftlicher Geschäftsführer und Sprecher des Vorstands des DDZ sowie Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Bedeutung für die Zukunft: Präzisionsmedizin für Psyche und Stoffwechsel

Die Erkenntnisse könnten die zukünftige Therapieauswahl beeinflussen: „Menschen mit Typ-2-Diabetes und hohem Entzündungsniveau sprechen womöglich besonders gut auf eine Veränderung depressiver Kognitionen durch eine kognitive Verhaltenstherapie an. Menschen mit Typ-1-Diabetes und hohen Entzündungswerten könnten hingegen eher von medikamentösen, anti-entzündlichen Therapien profitieren”, erklärt Prof. Norbert Hermanns vom FIDAM.

Originalpublikation:

Titel: Biomarkers of inflammation and improvement in depressive symptoms in type 1 and type 2 diabetes: differential associations with depressive symptom clusters
Autoren: Herder, C., Zhu, A., Schmitt, A. et al.
Doi: https://doi.org/10.1007/s00125-025-06472-w


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